Blick in den Bereich des Merseburger Schlosses
Sven Götze / 24.12.2020

Weihnachtsspaziergang 2020 - Irgendwas ist anders

Es ist Dezember, das Jahr neigt sich allmählich dem Ende entgegen. Die Weihnachtszeit ist bekannt für Besinnlichkeit, Nächstenliebe, aber auch für Einkaufsstress und kalte Tage. Häuser, ganze Städte verwandeln sich in die fröhlich leuchtende Heimat. Doch im Jahr 2020 ist irgendetwas anders.

Es ist Samstag, der 12. Dezember 2020. Am Tag vor dem dritten Advent besuchen wir meine Heimatstadt Merseburg. Die Kleinstadt - sie zählt ca. 36.000 Einwohner - befindet sich im südlichen Sachsen-Anhalt. In der ehemaligen Region des Bergbaus, ist sie u. a. bekannt für ihre Hochschule, ihren Dom und vor allem (auch dank musikalischer Umsetzung) der Merseburger Zaubersprüche.

Die Temperaturen sind angenehm, ein seichter Wind lässt bei 5°C ein wenig winterliche Gefühle aufkommen. Auch, wenn es wie in den letzten Jahren an Schnee mangelt, so ist die Luft doch deutlich feucht. Unser Ziel ist es, einen Streifzug durch das weihnachtliche Merseburg zu unternehmen. Die Merseburger Schlossweihnacht ist ein regionaler Höhepunkt, der sich zur liebgewonnenen Tradition entwickelt hat.

Schlossgarten (Ostseite) mit Blick zum Salon

Im Schloss angekommen, ist es anstelle des bekannten Trubels ruhig, menschenleer, fast still. Einige Spaziergänger treffen wir, Familien schlendern mit Kindern durch das Schloss-Ensemble. Manche tragen Laternen, singen fröhliche Lieder. Doch irgendwas ist anders.

Dort, wo sonst Lichterketten warm erstrahlen, weihnachtliche Gassenhauer sich gegenseitig zu übertönen versuchen, fehlt etwas. Der Grund hierfür ist allgemein bekannt, 2020 war auf weniger erfreuliche Weise ein besonderes Jahr. Anstatt des Miteinanders zählt in diesen Zeiten "Social Distancing", also Abstand zueinander zu halten. Stets in der Hoffnung, damit das Voranschreiten neuartiger Viren zu vermindern.

Schlossgarten (Ostseite) mit Blick zum Salon

Auch wenn etwas Wehmut aufkommt, so ist es zugegebenermaßen auch angenehm, sich nicht durch Massen von Menschen zu kämpfen und frierend in einer meterlangen Schlange auf heiße Getränke oder Grillgut anzustehen.

Doch die Stadt Merseburg hat trotz der angespannten gesellschaftlichen Situation einiges organisiert, um weihnachtliche Gefühle ihrer Bürger und Gäste zu wecken. Anstelle der Schlossweihnacht hat die Stadt zu einem Weihnachtsspaziergang vom Entenplan zum Schlossgarten eingeladen. An verschiedenen Stationen verspricht sie, auf die Festtage einzustimmen. Hierfür wurde sogar eigens ein Stadtplan entwickelt.1

Im Schlossgarten angekommen, ändert sich schlagartig unser Gefühl. Der Schlossgartensalon - das imposante barocke Bauwerk - erstrahlt von innen blau beleuchtet. Zur vollen Stunde wird die Beleuchtung abgeschaltet und eine weihnachtliche Lichtershow gezeigt. Jede Generation ist von dem Anblick fasziniert. Ja, auf einmal kommt weihnachtliche Stimmung auf. Auf dem Vorplatz des Salons - dort, wo in der warmen Jahreszeit eine kleine Fontäne die Harmonie abrundet - sind Märchenhütten aufgebaut.

Doch sofort erschrecken wir wieder. Die Figuren, die die Kinder gern bestaunen, sind beschädigt. Dem Tapferen Schneiderlein fehlt eine Hand, Dornröschen der Kopf - vermeintlich Heranwachsende haben wenige Tage zuvor mit roher Gewalt die heile Märchenwelt zerstört.2 Als wäre die Zeit nicht bereits schwer genug, so zeigen hier fehlende Wertvorstellungen und rohe Gewalt ganz andere Probleme der Gesellschaft auf. Selten sind Schönheit und Zerstörungswut so nah beieinander.

Abendlicher Blick auf die Nordfront des Schlosses

Viele Familien nutzen die Gelegenheit, ihre Kinder aufzuklären, was es mit den Figuren auf sich hat. Doch schnell sind, zumindest für den Moment, die traurigen Anblicke vergessen, wenn man sich um 90° gegen den Uhrzeigersinn dreht. Hier wird man mit einem harmonischen Blick auf das Schloss belohnt.

Festlich geschmückter Weg durch den Schlossgarten

Einige Zeit hier zu verweilen bringt leider mit sich, dass die Kälte langsam in die Glieder zieht. Also begeben wir uns auf den Weg zum Entenplan. Die Wege im Schlossgarten sind mit Lichterketten dezent, aber festlich geschmückt.

Einige Zeit hier zu verweilen bringt leider mit sich, dass die Kälte langsam in die Glieder zieht. Also begeben wir uns auf den Weg zum Entenplan. Die Wege im Schlossgarten sind mit Lichterketten dezent, aber festlich geschmückt.

Am Ende des Schlossgartens führt uns unser Weg auf die Oberaltenburg. Hier halten wir kurz inne, während wir die Wärme, die das Ständehaus ausstrahlt, genießen. Die Turmspitze ist rot beleuchtet, das Motiv strahlt Ruhe aus. Ein in letzter Zeit selten gewordenes Gefühl.

Inzwischen ist es 18:00 Uhr, man hört Kirchenglocken. Den Domplatz erreicht, quietschen die metallernen Türen des Doms; der Gottesdienst beginnt in Kürze. Unsere Kinder sind allmählich auch müde, also begeben wir uns zügig weiter in Richtung Innenstadt.

Kurz nach dem Krummen Tor sehen wir ein gar illustres Schauspiel: Ein Weihnachtsmann, begleitet von Engeln und einem Pianisten, sitzt in einem kleinen, aber hell beleuchteten Weihnachtsdorf. Als wir die Gruppe erreichen, verstummt plötzlich die Musik, die Beleuchtung schaltet sich ab. In der Befürchtung, die Etappe zu spät zu erreichen, wollen wir fast weiter ziehen, als wir plötzlich einen roten Buzzer entdecken.

Kaum wurde dieser betätigt, schaltet sich das Licht an, der Pianist spielt hochmotiviert ein Weihnachtslied und der Weihnachtsmann nebst seiner Engel bewegen sich. Sie sprechen uns an, verteilen kleine Aufmerksamkeiten. Eine unerwartete und auf jeden Fall gelungene Idee.

Einzelnes Bild

Nachdem wir uns vom Weihnachtsmann verabschiedet haben, erreichen wir wenige Fußminuten später den Entenplan. Hier, wo sonst mehrere weihnachtliche Stände und jahreszeitgemäße Musik ebenfalls viele Besucher beglücken, steht ein festlich geschmückter Baum. Kaum ein Mensch ist zu sehen, zwei Stände sind dieses Jahr aufgebaut.

Blick auf den beleuchteten Turm der Stadtkirche St. Maximi

Gut 30 Minuten später - das interaktive Panorama aufzunehmen hat eine Weile gedauert - sind die Kinderbäuche gefüllt, die Gliedmaßen jedoch auch durchgefroren. Gut zwei entspannte Stunden haben wir auf dem vermeintlich kurzen Stück verbracht, ohne dass Langeweile aufgekommen ist.

Ja, dieses Jahr ist irgendetwas anders - aber die Stadt Merseburg hat es mit einigen kleinen Ideen (und vermutlich vielen Engagierten) geschafft, weihnachtliche Stimmung zu verbreiten. Zum Abschied verabschiedet uns der blau beleuchtete Turm der Stadtkirche St. Maximi.

Das Team von n8aktiv.com wünscht unseren Lesern eine besinnliche Weihnachtszeit.

Bleibt gesund!

Dieser Beitrag erschien zuerst auf Mersografie.

Über den Autor

Sven macht in seinem Hauptberuf irgendwas mit Beratung, IT, Organisation. Er ist zertifizierter Datenschutzbeauftragter, Datenschutzauditor und Google-zertifizierter Panorama-Fotograf (Street View trusted). Die Fotografie wurde ihm schon im Kindesalter nahegebracht und ist bis heute seine Passion. Angefangen mit Exa- und Praktica-Modellen ist er inzwischen beim spiegellosen Vollformat gelandet.

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